Das Schicksal, in der Fremde alt zu werden

Ausländische Senioren finden oft nicht die verdiente Ruhe (Korrespondentenbericht) (mit Bild)

Von Daniela Craciun

Eines Tages im Jahr 1968 ergriff Frau Gianacacos die Initiative. Sie ging mit sechs anderen Frauen aus einem armen Dorf im griechischen Thessalien zum örtlichen Arbeitsamt. Sie bekamen ein Angebot: eine Arbeit am Fließband bei der Firma Telefunken im fernen Nürnberg. "Die Hauptbedingung war, dass wir kerngesund sind", erinnert sie sich. Die Frauen mussten sich einer intensiven medizinischen Untersuchung unterziehen. Dann bekamen sie den Job.

Frau Gianacacos hat hart in Deutschland gearbeitet und ist heute 75 Jahre alt. Nach und nach kam auch ihre Familie nach Deutschland. Der jüngste Sohn Constantinos ist ein griechisch-deutscher Dichter geworden. Er ist Stellvertretender Leiter des "Internationalen Seniorenforums" in München und Leiter des "Griechischen Hauses", einer vorbildlichen sozialen und kulturellen Einrichtung der evangelische Kirche in München, in der sich nicht nur Griechen, sondern auch Türken, Spanier, Italiener, Palästinenser, Menschen aus dem früheren Jugoslawien und natürlich auch Deutsche treffen. Constantinos Gianacacos lebt seit 1974 in Deutschland, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Beide haben sowohl die griechische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit.

"Jeder wollte die Armut in der Heimat überwinden", sagt Gianacacos in Bezug auf alle, die als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind. "Sie haben niedrige Stellen für niedrige Löhne akzeptiert, hart gearbeitet, auch nach der tariflichen Arbeitszeit und am Wochenende." Und jetzt sind sie alt geworden, zum Teil krank. "Als sie hierher gekommen sind, hatten sie den Traum, in die Heimat zurück zu kehren, bei den meisten ist er nicht in Erfüllung gegangen", sagt Gianacacos. Die Gastarbeiter wurden zunächst nur für zwei, drei Jahre nach Deutschland gebracht. Ihre Verträge wurden dann jährlich verlängert. Und so ist ein ganzes Leben daraus geworden. "Das ist das Drama der alten Ausländer in Deutschland", betont Gianacacos.

Heute leben fast 80.000 griechische Senioren in Deutschland. Sie bekommen im Durchschnitt eine Rente von 800 Euro. In ihren Herkunftsländern fühlen sie sich auch nicht mehr wohl. Sie kennen keinen mehr in der Nachbarschaft. Und so pendeln viele zwischen zwei Heimaten, ohne wirkliche Ruhe zu finden. Einen Wunsch haben sie noch: in der alten Heimat begraben zu werden. "Das macht den Angehörigen in Deutschland viele Schmerzen. Denn sie wollen die Gräber der Eltern in der Nähe haben, dort weinen und eine Kerze anzünden können", sagt Gianacacos. Er versucht den Senioren diesen Gedanken nahe zu bringen.

Die meisten Senioren verbringen ihre Zeit zu Hause und leben isoliert, wie Gianacacos sagt. Sie sitzen vor dem Fernseher, wo seit einiger Zeit auch ein griechischer Sender zu empfangen ist. Sie treffen sich mit ein paar alten Freunden, das ist alles, was ihnen geblieben ist. Die größte Freude bleiben ihre Kinder und Enkel, wenn sie in ihrer Nähe wohnen. "Denn die Großfamilien existieren nicht mehr", so Gianacacos. Das Griechische Haus organisiert verschiedene Veranstaltungen für Senioren und bietet ihnen Betreuung und persönliche Gespräche. "Viele sind überarbeitet, krank und melancholisch. Sie wollen nicht in ein Altenheim, denn sie sind es gewöhnt, dass die Familie sich um sie kümmert". Ihre Denkweise könne man nicht einfach ändern. "Ich will einen Verein gründen, damit zukünftige griechische Rentner in Deutschland in gemeinsame Abteilungen in Altersheimen kommen", kündigt Gianacacos an.

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(Artikel vom 02.03.2005)